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Aborigines

 

Bei unseren Australienaufenthalten war ich immer wieder begeistert von den Farben dieses Landes: das Rot des Outbacks in allen Schattierungen und die spärlichen, aber farbenprächtigen Sträucher und Blüten als Highlights, der Regenwald mit seinem saftigen Grün und sprudelnden Quellen und Wasserfällen, das große Reef in verschiedensten Blautönen, mit bunten Korallen und weißen Stränden.

 

 

 

Ganz besonders beeindruckt haben mich die Aborigines und ihre mindestens fünfzigtausend Jahre zurückreichende Kultur. Die ersten, noch erhaltenen Spuren der australischen Ureinwohner sind deren Felsmalereien, auf denen in der Regel Tiere und einfache Darstellungen von Menschen zu sehen sind. Bemerkenswert sind die Innenansichten mancher Felsmalereien, auf denen ähnlich wie bei Röntgenbildern das Skelett, die Wirbelsäule und innere Organe der abgebildeten Tiere zu erkennen sind.

 

 

 

Andere Ausdrucksformen der Aborigines, wie etwa Körperbemalung, Rinden oder Bodenbilder, konnten die Spuren der Zeit leider nicht überdauern. Auch die mündliche Überlieferung der Kultur wurde während der Regierung der englischen Kolonialmacht fast gänzlich unterbrochen bzw. ausgerottet. Aus diesem Grund kann der Symbolismus der Felsmalereien und anderer noch erhaltenen rituellen Gegenstände aus Stein, Holz, Federn, Knochen, Muscheln oder Samen oft nur schwer entschlüsselt werden.

 

„Die Kunst spielt im Leben der Aborigines eine zentrale Rolle. Ihrem Wesen nach ist sie eng mit dem Bereich des Religiösen verknüpft, ganz gleich, ob sie für politische oder soziale, für praktische oder didaktische Zwecke geschaffen wird, wobei diese Funktionen einander ständig überlappen.“

(Wally Caruana: Die Kunst der Aborigines, Thames & Hudson, 1993, S. 7)

 

Im Mittelpunkt des religiösen Lebens der Aborigines steht die Traumzeit, die auf der Mythologie der Schöpfungsgeschichte basiert. Eine Zeit, in der es keinen Unterschied gab zwischen Menschen, Tieren und spirituellen Wesen; eine Zeit, in der alle Lebewesen eine spirituelle, natürliche und moralische Einheit bildeten; eine Zeit, deren Spuren nach wie vor die Lebensart und Kultur der Aborigines prägen.

 

 

 

Die Aborigines sind „Spurensucher“, ohne ihre außergewöhnlichen und umfassenden Kenntnisse der Natur und des Landes wäre ein Überleben in der Wüste nicht möglich gewesen. Dieses Wissen über Pflanzen, Naturheilverfahren und ökologische Zusammenhänge wird zwar seit einigen Jahren erforscht, doch auch dieses ging großteils verloren, da die Aborigines von den weißen Kolonialherren gezwungen worden waren, sich zum christlichen Glauben zu bekehren und sich ihrer eigenen Kultur abzuwenden. Die Weißen haben den Ureinwohnern Australiens ihre Heimat und Erde weggenommen, sie gejagt wie wilde Tiere und sie um ihren Glauben und ihre Identität gebracht. Trotz allem konnte zumindest ein Teil der tiefen Spuren, die sich die Aborigines bereits vor Jahrtausenden „erträumt“ hatten, überliefert werden. Dank der tiefen Verankerung in der Kultur der australischen Ureinwohner, können auch wir uns an deren Wissen, Traditionen und Ausdrucksformen erfreuen.

 

 

 

Während meiner „Spurensuche“ in Australien, hatte ich das Glück, mit einem Aborigines-Führer das Reservat Yarrabah zu besuchen, Jugendliche, die an einem Arbeitsprojekt beteiligt waren kennen zu lernen und mich am Schulunterricht in einer Volksschule zu beteiligen. Die australischen Ureinwohner und deren Kultur haben tiefe Spuren in mir hinterlassen und mich inspiriert, diese in einer Serie von Quilts zu verarbeiten, mit denen ich gleichzeitig meine größte Achtung gegenüber den Aborigines ausdrücken möchte.

 

 

 

© Februar 2008  Rita Schaffer, Hörbranz